Sprache

Samstag, 11. August 2012

Der lange Weg an die Karibik

Nachdem wir uns vom Roraima Trek erholt hatten, fuhren wir nordwärts durch die Gran Sabana. In der eindrücklichen Landschaft bestaunten wir kleinere und grössere Wasserfälle. In deren Nähe gab es einfachste Campingplätze, wo wir zweimal übernachteten. Diese werden von Pemón-Indianern, die in bescheidenen Siedlungen leben, betrieben. Beim Salto Kawi fertigte ein Pemón-Indianer vor unseren Augen einen Anhänger aus dem lokalen Gestein an. Da wir von Süden kamen, merkten wir kaum, dass die Strasse stetig anstieg und wir schliesslich auf 1440 m den höchsten Punkt erreichten. Dann ging es steil hinunter in den grünen Urwald. 

Bei El Dorado überquerten wir den Rio Cuyuní, wo der legendäre Schweizer Bruno (gemäss Reiseführer) das Campamento El Encanto Cuyuní führt. Schon von der Brücke aus sahen wir die Schweizer Fahne! Eigentlich sind es zwei Brücken. Die ältere Brücke, von Gustave Eiffel (wie der Eiffelturm in Paris) erbaut, ist allerdings nicht mehr befahrbar. Bruno war abwesend und weilte zu dieser Zeit in der Schweiz. Ruedi, ein zweiter Schweizer von bald siebzig Jahren, lebte ebenfalls auf diesem Campo. Der Berner liess sich vor rund 25 Jahren in Venezuela nieder und bewirtschaftete eine Finca (Bauernhof). Vor drei Jahren enteignete ihn die aktuelle Regierung und er verlor die Finca ohne eine Entschädigung zu erhalten. Trotz diesem Schicksalsschlag blieb der aufgestellte Ruedi in Venezuela. Er erzählte uns von seinen vielen Erlebnissen. Wir genossen acht spannende Tage auf dem El Encanto Cuyuni und feierten sogar den 1. August zusammen. Der nahe gelegene Ort El Dorado hat schon bessere Zeiten gesehen. Es gibt zwar immer noch Gold- und Diamantensucher. Aber vermutlich wird heute mehr Geld mit Treibstoffschmuggel nach Guyana auf dem Rio Cuyuní verdient. Das Gefängnis von El Dorado, das im verfilmten Bestseller „Papillon“ vorkommt, existiert noch immer.
Eigentlich hatten wir nicht die Absicht, in Puerto Ordaz länger zu verweilen. An einem regnerischen Sonntag sprach uns aber der Venezolaner Gregory bei einer Rotlichtampel an und lud uns spontan zu einer Schifffahrt auf dem Rio Caroní und Rio Orinoco ein. Später landeten wir bei ihm zu Hause zum Nachtessen mit seiner Familie. Am nächsten Tag nahm sich der Besitzer einer Eiswürfelfabrik frei und zeigte uns stolz die Sehenswürdigkeiten bis hin zu Ciudad Bolivar. Bis zum Abend legten wir rund 300 km in seinem grossen Auto zurück. Als wohlhabender Geschäftsmann vertrat Gregory eine kritische Einstellung gegenüber der aktuellen Regierung von Hugo Chavez. Er meinte, Venezuela sei ein reiches Land (z.B. Erdöl, reiche Bodenschätze, grosse Wasserkraftwerke), aber die grosse Mehrheit der Bevölkerung sei arm und leider etwas arbeitsscheu. Am 7. Oktober 2012 wird gewählt. Es ist kaum anzunehmen, dass sich etwas ändern wird, da Chavez im Moment grosse Versprechungen an die Ärmeren macht. Die Einnahmen der verstaatlichten Betriebe werden grosszügig verteilt und für die Instandhaltung und Neuinvestitionen bleibt zu wenig übrig. Wo führt das wohl hin?
Unsere Fahrt ging weiter via Maturín nach Carúpano am karibischen Meer. Im Innern des Landes sind die Autokolonnen vor den Tankstellen kürzer und der Treibstoff nochmals viel billiger als in den Grenzgebieten. Für 62 Liter Diesel bezahlten wir nur 2,98 Bolivares (siehe Foto), was total etwa 35 Schweizerrappen entsprach – kaum zu glauben, aber wahr! Sahen wir deshalb so viele alte „Benzinschlucker“ aus den USA? In keinem südamerikanischen Land war der Unterschied zwischen uralten und neuen Autos so frappant wie in Venezuela.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen